Enemy Mine – Geliebter Feind
Enemy Mine (USA/D 1985)
Regie: Wolfgang Petersen
Drehbuch: Edward Khmara, nach der Kurzgeschichte Enemy Mine (1979) von Barry B. Longyear
Kamera: Tony Imi. Schnitt: Hannes Nikel. Musik: Maurice Jarre
Darsteller: Dennis Quaid (Davidge), Louis Gossett Jr. (Jeriba Shigan), Bumper Robinson (Zammis), Brion James (Stubbs), Carolyn McCormick (Morse), Richard Marcus (Arnold), Jim Mapp (alter Drac), Lance Kerwin (Wooster), Scott Kraft (Jonathan) u. a.
Produzenten: Stephen J. Friedman; Stanley O’Toole (ausführender Produzent) Companies: Twentieth Century Fox; Kings Road Entertainment; SLM Production Group; Bavaria Film
Laufzeit: 108 Minuten; Farbe
Premiere: 12. Dezember 1985 (Deutschland); 20. Dezember 1985 (USA)
Ende des 21. Jahrhunderts hat sich die menschliche Spezies auf zahlreichen Planeten in der Galaxis ausgebreitet. Bei ihrer interstellaren Expansion gerieten die Menschen allerdings in Konflikt mit den „Dracs“, einer reptilienhaften Spezies. Im Streit um mehrere bewohnbare Welten, die beide Spezies beanspruchten, entbrannte ein erbitterter Krieg. Während eines Drac-Angriffs auf eine militärische Raumstation der Menschen verfolgt der Kampfjäger-Pilot Davidge einen Drac-Jäger bis in die Atmosphäre des unwirtlichen, noch völlig unerforschten Planeten Fyrine IV. Im Gefecht beschädigen sich die Kampfjäger gegenseitig und stürzen beide auf dem Planeten ab.
Davidge überlebt den Absturz und stellt kurz darauf fest, dass auch der in der Nähe abgestürzte Drac seine Bruchlandung überlebt hat. Davidge, der die Dracs zutiefst hasst und sie meist nur abfällig „Krötenfressen“ nennt, versucht seinen Kontrahenten aus einem Hinterhalt zu töten. Er scheitert jedoch, und stattdessen wird er von dem Drac gefangen genommen. Ein plötzlich einsetzender Schauer von einschlagenden Meteoriten macht den beiden Gestrandeten bald klar, dass sie nur dann eine Überlebenschance auf dem felsigen Planeten haben, wenn sie sich gegenseitig helfen. Davidge baut gegen die Meteoriten einen Unterschlupf aus den steinharten Panzern einer heimischen, bizarren Schildkrötenart, und kümmert sich um die Nahrungsbeschaffung, indem er mit Pfeil und Bogen auf Schildkrötenjagd geht. Der Mensch und der Drac, der Jeriba Shigan heißt, lehren sich notgedrungen gegenseitig ihre Sprachen, und beide entwickeln mit der Zeit sogar eine innige Freundschaft zueinander. Jeriba weiht Davidge überdies in die weisheitlichen Schriften der Dracs ein, die, wie Davidge feststellt, gar nicht so verschieden von entsprechenden irdischen Schriften wie etwa die Bibel sind.
Jahre vergehen. Eines Tages eröffnet Jeriba seinem Freund, dass er ein Kind bekommen wird, denn die Dracs sind Hermaphroditen, bei denen die Fortpflanzung ohne vorherige Befruchtung spontan geschieht. Bei der Geburt eines Kindes stirbt ein Drac jedoch. Jeriba lässt sich von Davidge versprechen, dass er gut für sein Kind, das er den Namen Zammis gegeben hat, sorgen wird. Nach Zammis Geburt und Jeribas unvermeidlichen Tod zieht Davidge den jungen Drac mit viel Hingabe groß. Als Zammis jedoch im jugendlichen Alter erkennt, dass er anders als Davidge ist und kurz darauf ein Raumschiff in einigen Kilometern Entfernung landet, stiehlt er sich heimlich zu dem Landeplatz des Schiffes fort, in der Hoffnung, dort auf andere Dracs zu treffen. Das Schiff gehört jedoch einer Gruppe von „Scavengers“, menschlichen Rohstoffschürfern, die für die Schürfarbeiten Dracs versklaven. Zammis wird von den Sklavenhaltern aufgegriffen und eingesperrt. Davidge versucht daraufhin verzweifelt, seinen Schützling zu retten . . .
Eine anrührende Robinsonade im All
Wolfgang Petersens Enemy Mine – Geliebter Feind ist eine lupenreine, überaus romantische Weltraum-Robinsonade, die optisch mit großzügigen, imposanten Studiosets und hervorragenden visuellen Tricks glänzt – wenn man die tricktechnischen Maßstäbe der Achtzigerjahre anlegt. Umso beeindruckender ist, dass der Film, der immerhin als teurer internationaler Blockbuster mit US-amerikanischen Schauspielern konzipiert ist, weitgehend in Westdeutschland produziert wurde. Die Produktion begann allerdings mit einer großen Hypothek. Ursprünglich sollte der Regisseur und Drehbuchautor Richard Loncraine (geb. 1946) die Regie führen; Loncraine hatte auch schon mit den Arbeiten begonnen und mehrere Szenen in Island gedreht (die allesamt später nicht verwendet wurden). Doch dann wurde die Produktion gestoppt und Loncraine gefeuert – offenbar, weil schon in diesem frühen Stadium die Kosten mit 17 Millionen Dollar aus dem Ruder gelaufen waren.
Erst ein gutes Jahr später wurde die Produktion wieder aufgenommen – nicht zuletzt, weil Dennis Quaid und Louis Gossett Jr. mit 20th Century Fox bereits Verträge ausgehandelt und teure Gagenansprüche hatten. Als neuer Regisseur wurde Wolfgang Petersen (geb. 1941) angeheuert, dessen internationale Karriere zu jener Zeit gerade Fahrt aufzunehmen begann: Sein deutsches Weltkriegsdrama Das Boot (1981) war auch im Ausland ein großer Achtungserfolg gewesen, und mit dem Big-Bugdet-Fantasyfilm Die unendliche Geschichte (1984) hatte Petersen gerade eine erste internationale Produktion inszeniert, die sich auch in den US-Kinos sehr gut schlug. Beide Filme waren in den Bavaria Studios bei München gedreht worden. Petersen verlegte auch die Produktion von Enemy Mine in die Bavaria Studios. Dort entstanden riesige Sets für die Oberfläche des Planeten Fyrine IV sowie die Sets für die Raumstation und für die Sklavenminen der „Scavengers“. Einige Wüstenszenen wurden als Außenaufnahmen auf Lanzarote gedreht, während die Special-Effects-Szenen im Weltraum mit den Kampfjägern, ihren Lasergefechten und Explosionen bei ILM in Kalifornien entstanden. Am Ende kostete Enemy Mine satte 25 Millionen Dollar, wobei die zuvor bereits von Loncraine ausgegebenen 17 Millionen Dollar nicht mitgerechnet sind – ein wahrhaft gigantisches Budget für einen vorwiegend in Westdeutschland produzierten Film. Doch trotz aller Bemühungen der breit aufgestellten Vorab-Publicity geriet das Spektakel an den Kinokassen zu einem Flop. In den USA spielte der Film nur magere 12,3 Millionen Dollar wieder ein (Box Office Mojo), und in Deutschland lief er mit fast 1,38 Millionen Zuschauern (InsideKino; ich war damals einer dieser Zuschauer gewesen) zwar ziemlich gut, aber das reichte natürlich nicht, um die Verluste auf dem US-Markt wieder auszugleichen.
So lauwarm wie das Box Office waren auch die Kritiken. Sie sahen im Großen und Ganzen in dem Film nur eine magere Story, die zu hohler Hollywood-Action aufgeblasen worden sei. Science-Fiction-Fans zeigten sich enttäuscht, dass Enemy Mine nur „Fake-SF“ sei: Eine durch und durch irdische – in diesem Fall sogar klassische – Story, die sich lediglich als Science-Fiction aufgerüscht hat. Von der Hand zu weisen ist dieser Vorwurf nicht. Die interessante Grundidee, dass sich ein Mensch und ein völlig fremdartiger Alien miteinander auseinandersetzen müssen, wurde völlig verschenkt, da der Alien nicht nur äußerlich humanoid, sondern vor allem seinem Wesen nach viel zu menschlich daherkommt: Er hat menschliche Regungen, menschlichen Witz und sogar eine Religion, die dem Christentum sehr ähnlich ist. Lediglich sein Hermaphroditentum unterscheidet ihn vom Menschen. So ereiferte sich Norbert Stresau (1960–1991) in der Science Fiction Times:
Die Utopie von Enemy Mine ist so dumm wie scheinheilig: von einem echten Verständnis für andere Mentalitäten keine Spur. Petersens Außerirdischer ist streng katholisch; sein Jesus heißt zwar Shizumaat und seine Bibel Talman, ansonsten aber wäre jedes irdische Kloster stolz auf ihn: Jeder Papua-Ureinwohner wäre fremdartiger, unbegreiflicher als dieser Mensch im durchaus eindrucksvollen Lurchkostüm. Ihm gegenüber fällt die Toleranz leicht. Zu leicht! (zitiert nach Georg Seeßlen/Fernand Jung, Science Fiction [2003], Band 2, S. 708f.).
Und der amerikanische Filmkritiker Roger Ebert (1942–2013) schrieb in seiner Rezension vom 20. Dezember 1985 in ganz ähnlicher Weise:
Der Film hätte das Potenzial gehabt, eine wirklich großartige Geschichte über die Kommunikation zwischen fremden Spezies zu sein; er hätte ein Weltraumthriller mit Herz und Verstand sein können. Stattdessen gibt er uns einen Alien, der zu menschlich, zu vertraut ist. Er nimmt diesen erstaunlichen Planeten und gibt ihm Nahrung, Wasser, eine Schwerkraft und eine Atmosphäre, die für Menschen und auch für Dracs passend sind. Er vertraut auf Erzählkniffe wie die bequeme Ankunft von Feinden und die gleichermaßen bequeme Ankunft von Freunden für die Rettung. Er wagt nicht genug. (Roger Ebert.com)
In der Tat sind Eberts Kritikpunkte alle wahr. Hinzu gesellen sich, vor allem im letzten Filmdrittel, weitere ärgerliche Logiklöcher und Plotholes. Davidges erste Rettung von der Planetenoberfläche durch seine Kameraden von der Raumstation kommt daher wie ein wundersamer deus ex machina. Als er später auf der Raumstation in einem Leichensack in den Weltraum verklappt werden soll, weil er für tot gehalten wird, erwacht er plötzlich und lächerlicherweise wie aus dem Nichts und wird anschließend wieder gesund gepflegt. Die Vorgesetzten auf der Raumstation verweigern ihm die Rückkehr nach Fyrine IV, wo Davidge Zammis retten will, doch der tollkühne Pilot schießt mit einem Kampfjäger einfach eines der Schotten auf und fliegt zum Planeten davon. Dass seine Kameraden ihm hinterherfliegen und im letzten Moment, als Davidge bereits in einen aussichtslosen Kampf mit den „Scavengers“ verwickelt ist, als rettende Kavallerie auftauchen, den bösen Sklavenhaltern das Handwerk legen, Davidge ein weiteres Mal retten und ihm am Ende sogar ermöglichen, Zammis nach Dracon zu bringen – immerhin ins Feindesland! –, damit er dort den jungen Drac in den heiligen Bund seiner Drac-Gemeinde einführen kann, ist schon reichlich unglaubwürdiger Quark.
Ein sehr oft angeführter Kritikpunkt betrifft die Sklavenhalter: Kaum ein Rezensent verzichtet darauf, das Szenario interstellarer Sklavenhalter für unmöglich zu halten, weil für eine technologisch hochstehende Spezies, die die interstellare Raumfahrt beherrscht, Sklaven zu halten angeblich viel teurer sei, als billige Roboter einzusetzen. In diesem Punkt bin ich skeptisch. Erstens ist das Argument natürlich nicht bewiesen, zum zweiten aber scheint es zu suggerieren, dass sich Sklavenhalterei in der Zukunft durch den technischen Fortschritt schon ganz von selbst erledigen werde. Wirklich? Es sollte nicht vergessen werden, dass auch unser heutiges kapitalistisches und technologisch ach so fortgeschrittenes Wirtschaftssystem nach wie vor auf der extensiven Ausbeutung und Versklavung von Millionen Menschen in der sogenannten Dritten Welt und den „Schwellenländern“ gründet. Warum sollte es also nicht in der fernen Zukunft zwielichtige Minenausbeuter geben, die auf eigene Rechnung arbeiten und statt auf teures Equipment lieber auf kostenlose Sklaven zurückgreifen?
Enemy Mine basiert auf der 1979 erschienenen gleichnamigen Erzählung von Barry B. Longyear (geb. 1942), die damals mit dem Hugo und dem Nebula Award ausgezeichnet worden war. In Longyears Erzählung gibt es keine Sklavenhalter und keinen actionreichen Showdown – der Mensch und der Drac kehren in ihre jeweiligen Gesellschaften zurück, doch Davidge fühlt sich inzwischen fremd in ihr, sodass er nach Jahren wieder zu seinem Zögling zurückfindet. Inhaltlich wirkt der Film ein gehöriges Stück weit wie eine Adaption von John Boormans Film Die Hölle sind wir (1968), in dem im Zweiten Weltkrieg ein Amerikaner und ein Japaner auf einer einsamen Insel miteinander auskommen müssen. Starke Parallelen hat der Film jedoch auch mit Byron Haskins Robinson Crusoe auf dem Mars (1964), insbesondere in der zweiten Hälfte, als der auf dem Mars gestrandete amerikanische Raumfahrer auf außerirdische Sklavenhalter trifft; ein davongelaufener Sklave, ebenfalls ein „Außerirdischer“ von vollkommen menschlicher Gestalt, wird dem interplanetaren Robinson zu seinem Freitag. Die meisten Kritikpunkte, die Enemy Mine vorgehalten wurden – insbesondere der Vorwurf, keine „wirkliche“ Science-Fiction zu sein –, wurden übrigens auch schon Robinson Crusoe auf dem Mars angekreidet. Als Randnotiz sei noch vermerkt, dass das Thema von Enemy Mine auch in der letzten Folge der TV-Serie Galactica 1980, „Die Rückkehr von Starbuck“ aufgegriffen wurde: Dort strandet der Weltraumheld auf einem wüstenhaften Planeten und muss mit einem ebenfalls gestrandeten Cylonen-Roboter klarkommen, der bald sein Freund wird.
Nach aller berechtigten Kritik und der Feststellung aller enttäuschten Erwartungen soll jetzt aber auch davon die Rede sein, was der Film tatsächlich ist: eine Robinsonade und ein humanistisches Drama in allerbester europäischer Erzählkino-Tradition. Gewiss, Jeriba ist kein überzeugender Außerirdischer – die sind in Science-Fiction-Filmen ohnehin ausgesprochen rar –, aber er ist für Davidge „der Feind“, der anders ist als er selbst, den er aus Vorurteilen heraus hasst und den er erst allmählich verstehen lernt. Die hervorragend gelungene, glaubwürdige Maske des reptilienhaften Drac lässt den Fremden zunächst abstoßend hässlich erscheinen, doch die für Toleranz, Frieden und Verbrüderung werbende Botschaft des Films predigt, dass das Fremde und vermeintlich Abstoßende durchaus seine liebenswerten und schönen inneren Eigenschaften haben kann. Effizient transportiert wird das Gefühlskino von dem exzellenten Schauspiel von Dennis Quaid und Louis Gossett Jr., die dem Einsiedlerpaar die nötige Intensität vermitteln, und dem gelungenen Score von Maurice Jarre (1924–2009), der zwischen orchestralen Teilen und Synthesizerklängen wechselt. Viele lehnten das Thema einer Robinsonade als banal und gefühlsduselig ab, und wahrscheinlich wäre hier tatsächlich ein noch intensiveres Drama möglich gewesen. Im letzten Filmdrittel versinkt der Film leider in einen unnötigen, Hollywood-mäßigen Action-Showdown, der quer zur vorhergehenden Botschaft von Verständnis und Toleranz steht. Aber generell finde ich Robinsonaden immer spannend und interessant, insbesondere dann, wenn sie auf fremden Planeten geschehen. Sicherlich lässt sich das Thema klassischerweise auch auf einer einsamen Insel verhandeln – warum aber nicht eben doch auch im Weltraum? So bietet Enemy Mine neben seinem kraftvoll erzählten, rührend menschelnden Drama wunderbare, perfekt inszenierte Science-Fiction-Schauwerte, die den Film allemal zu einem lohnenden Vergnügen machen.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 7. November 2018
Szenenfotos © 20th Century Fox